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Wikipedia in den Wissenschaften

Letzten Freitag fand an der Uni Basel ein Werkstattgespräch mit dem Titel „Wikipedia in den Wissenschaften. Zur Praxis und Theorie eines aktuellen Phänomens“ statt. Wenn dieser Workshop auch einen starken geschichtswissenschaftlichen Anteil besaß (man achte auf die Referenten), so sind die Probleme, die Historiker mit der Wikipedia haben, nicht so anders als in anderen Disziplinen. Im Rahmen des Werkstattgespräch fand auch ein Vortrag Jan Hodels statt, dessen Ergebnisse er im Blog von histnet.ch zusammenfasst. Besonders interessant finde ich folgende Punkte:
Wikipedia ist aufgrund seiner spezifischen Eigenschaften, die für seinen Erfolg massgeblich sind, nicht ein “Werk” im herkömmlichen Sinn, sondern ein “Ort” der Verhandlung und des Austausches. Genutzt wird es aber wie ein publiziertes Werk. Dieses Missverhältnis sollte den Studierenden klar gemacht werden.
Eine sehr gute Beschreibung des Besonderheit der Wikipedia, die ja immer im Fluß ist.
Daraus folgt: Das Zitieren aus Wikipedia für wissenschaftliche Arbeiten in Geschichte ist aus verschiedenen (zum Teil wikipedia-spezifischen) Gründen problematisch: das betrifft die heterogene Qualität, den lexikalischen Charakter, die “Autorlosigkeit” (kooperativ und zum Teil anonym verfasste Texte), die mit wissenschaftlichen Referenz-System nur schwer in Übereinstimmung zu bringen ist.
In diesem Punkt teile ich die Darstellung nur bedingt, da die Wikipedia nicht „autorlos“ ist – ist doch theoretisch der Urheber jeden Wortes recherchierbar – mit seinem gesamten Wikipedia-spezifischen Werdegang. Auch die sogenannten anonymen Edits, bei denen nur die IP-Adresse verzeichnet wird, sind nachvollziehbar und entsprechend bewertbar. Bei herkömmlichen Veröffentlichungen geht man davon aus, daß sich der Verlag von der Identität und der Qualifikation des jeweiligen Autors überzeugt hat – ohne einen entsprechenden Beweis zu haben. Die Wahrnehmung, daß eine Identität, die an einen Realname gebunden ist, verlässlicher ist, als eine an einen Nickname bzw. Pseudonym gebundene, halte ich für trügerisch.
Daraus folgt: Jedes wissenschaftliche Zitat aus Wikipedia muss gesondert im jeweiligen Verwendungszusammenhang beurteilt und begründet werden. Eine grundsätzlicher Ausschluss von Zitaten aus Wikipedia für wissenschaftliche Zwecke ist ebenso unangemessen, wie die ausschliessliche oder hauptsächliche Verwendung von Wikipedia-Einträgen als Grundlage für eine wissenschaftliche Arbeit.
Dem ist jedoch nichts mehr hinzuzufügen. Gerade an Wikipedia-Artikeln, läßt sich die Bewertung von Zuverlässigkeit einer Quelle oder von Literatur sehr gut exerzieren.
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2 Responses

  1. Jan Hodel sagt:

    Sowohl das Argument mit dem „ständig sich verändernden Zustand“ als auch jenes der Anonymität nehmen weniger für kundige Wikipedia-Nutzer/innen Geltung in Anspruch als für die grosse Masse der „ich schau mal schnell bei Wikipedia nach“-User. Für diese gibt es eben nur „einen“ Artikel und der ist von „niemand“ geschrieben. Das ist nicht direkt ein Problem von Wikipedia – aber wirkt sich eben doch auf die Diskussion aus.
    Ich verspreche mir auch nicht sooooo viel von Realnamen. Aber wenn man weiss, mit wem man es zu tun hat, erleichtert es die Einschätzung der Informationen erheblich. Wobei Pseudonyme auf User-Seiten, die dafür sonst etwas über den Fach-Hintergrund und die Interessen aussagen, auch schon hilfreich wären.

  2. Der Kommentar von Wikipedia Gründer Jimmy Wales zum Thema Anonymität bei Wikipedia:

    „I think there is basically zero problems that can be solved by eliminating anonymity“

    [Sydney Morning Herald : Founder defends evolving Wikipedia 27.3.2007
    Online: [[http://www.smh.com.au/news/web/wikipedia-wont-be-so-dicky/2007/03/27/1174761429336.html]]]

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